_Tagebuch

November & Dezember 2011

Im November fand das Gesamtkunstwerk Scheitern, Impotenz und Freiheit statt mit Zeichnungen, Poesieobjekten von Cristian Forte und Cristian Loaiza. Eine Wowiskulptur schaute von der Decke auf das Geschehen herab - sie stammt von einer Aktion der Pissgöttin und wurde im Gesamtkunstwerkkontext wieder eingesetzt. Das Highlight war für mich der Performance Abend mit Freunden der Künstler, insbesondere die Performance 333 - eine Invokation der Jungfrau Maria von Roberto Equisoain.


Im Dezember gab es dank Cristian Fortes Anregung zum ersten Mal das Format "Offenes Atelier". Der Dichter und Künstler benutzte wortwedding als Arbeitsplatz und Treffpunkt. To be continued.


Oktober 2011

ausMERZen war für Mehtap Akdemir ihr erstes Experiment um sich künstlerisch im Raum auszuprobieren. Sie entdeckte ihre Liebe zu gesponnenen Fäden und möchte dies weiterverfolgen. Es war schön für uns und die Besucher sich in ihrem An Anna Blume Netz zu bewegen und man bekam einen physischen Eindruck der Wirrheit/Klarheit in Schwitters Komposition.


August & September 2011

Ursprünglich wollten Manuela Macco und Guido Salvini zwei Residenzen machen, aber als sie Ihr Werk Without (Morning) dann fertig gestellt hatten, wollten sie die Zeit nutzen, um die unterschiedlichen Reaktionen der Besucher kennenzulernen. Die Reaktionen waren extrem unterschiedlich, da der Besucher gänzlich sich selbst überlassen war und seine eigene "Vision" der Aussicht auf die Prinzenallee im Schauen gestaltete. So wurde das Gedicht von Ungaretti in jedem von neuem lebendig und erfahrbar.


Juli 2011

Im Juli 2011 war Sommerpause in wortwedding. Ich war in Schottland und habe einen Workshop mit Carol Ann Duffy in Moniack Mhor gemacht, "Writing for children" - I had the time of my life.


Juni 2011

Im Juni waren ich und Vanessa Mildenberg zur Residenz in wortwedding. Letztes Jahr hatten wir uns mit "Moving Metre" beschäftigt, dieses Jahr mit "Moving Form". Wir merkten ziemlich schnell, dass uns die Anfänge der Poesie am meisten interessierten, wie die Poesie als Genre überhaupt entstanden war. Dies führte uns zu rituellen Tänzen und ihren Rhythmen im Antiken Griechenland, der Strophe, Anti-strophe und der Epode, dem Boustrophedon etc. Zur poetischen Form, wie der Begriff heute benutzt wird, dem Sonnett oder der Ballade sind wir dann gar nicht mehr gekommen. Vielleicht nächstes Jahr...


April & Mai 2011

Im April und Mai war Remo V. Lotanos Residenz und Ausstellung zu "Songs" von Frank O'Hara. Er hatte mich gebeten ihm einen Dichter vorzuschlagen und ich dachte an Frank O'Hara. Es war Liebe auf den ersten Blick, aufs erste Lesen. So kam Frank O'Haras erfundene Methode "Personism" zu seiner vollen Blüte.

"Personism has nothing to do with philosophy, it's all art. It does not have to do with personality or intimacy, far from it! But to give you a vague idea, one of its minimal aspects is to address itself to one person (other than the poet himself), thus evoking overtones of love without destroying love's life-giving vulgarity, and sustaining the poet's feelings towards the poem while preventing love from distracting him into feeling about the person. That's part of Personism. It was founded by me after lunch with LeRoi Jones on August 27, 1959, a day in which I was in love with someone (not Roi, by the way, a blond). I went back to work and wrote a poem for this person. While I was writing it I was realizing that if I wanted to I could use the telephone instead of writing the poem, and so Personism was born. It's a very exciting movement which will undoubtedly have lots of adherents. It puts the poem squarely between the poet and the person, Lucky Pierre style, and the poem is correspondingly gratified. The poem is at last between two persons instead of two pages. In all modesty, I confess that it may be the death of literature as we know it." (from "Personism: A Manifesto")

März 2011
Das Highlight im März war natürlich Poesiefrühling (www.poesiefruehling.blogspot.com)


Meine Aktion Poetry Acts - experimentelle Poesierezitationen - bewies sich als „eine geballte herrliche Sache“ (Christoph Schwantke). Es gab sechs sehr unterschiedliche Beiträge, von Haikus mit Flöte bis zu einer oulipotischen Performance. Poetry Acts war „ein Abend in dem das Wort in seiner Wirkung, nicht als Bedeutungsträger oder als Baustein eines literarischen Textes in den Vordergrund trat. Dieser Rahmen war einzigartig.“ (Lars Arvid Brischke)


Am besten hat mir während des Poesiefrühlings Manuel G. Carderos Aktion Lass dich von der Poesie beschenken gefallen. Manuel ist bildender Künstler und benutzt seine Wohnung als Atelier. Aus seinem Fenster hatte er eine Schnur bis zur Straße hinuntergelassen. Wenn man an ihr zog, ging in seinem Atelierzimmer der Vorhang zu. Nun konnte er ja nicht weitermalen und das war sein Zeichen, um ans Fenster zu gehen. „Möchtest Du ein Gedicht hören?“ fragte er den Besucher unten auf der Strasse und trug auf Wunsch ein Gedicht vor. Er rezitierte aus den Gedichtbänden, die er zu diesem Zeitpunkt selbst gerade las, z.B. von Rose Ausländer, Rilke oder Lorca.

Die Aktion erinnerte auf skurrile Weise an den Minnegesang. So einfach sie war, wirkte sie direkt und persönlich und stellte eine Verbindung zwischen den Menschen und der Poesie her. Nach zwei Wochen Poesiefrühling und über 70 Besuchern, sprachen die Leute in der Strasse Manuel an „Du bist doch der Dichter, oder?“



Januar & Februar 2011
Vor der Tür war Lenas erste Ausstellung und wurde gleich zum wortwedding Hit. Die Besucher waren begeistert, die Gästebucheinträge 10 Seiten lang. Von "allerliebst", "wonderFull", "verzaubert", "erfrischend" zu "Lena ich finde dich cool" war alles dabei. Die Ausstellung war auch die erste, die an dem Projekt "Poem Space Mobil" teilgenommen hat und es kamen 3 Schulklassen zu Besuch. Es muss gesagt werden, dass die SchülerInnen Lenas Wort + Bild Codes schneller und ausführlicher entdeckten als die erwachsenen Besucher... Obwohl ich bei den meisten Einführungen von Lena zu ihren Werken dabei war, lernte ich doch jedes Mal wieder etwas neues. Ein fabelhafter Februar wars!


15.12.10
Wie letztes Jahr gab es in der Vorweihnachtszeit Cristina Sahuquillos Stickworkshop PoesieStiche - diesmal gleich drei Sessions - in gemütlicher Runde beim Kamin. Cristina stickte einen Medusa Kopf auf eine Tischdecke mit den Zeilen " Die Augen erblicken nur was sie sehen wollen" von einem Gedicht von Alfonsina Storni.

Teatro sin Organos zeigten den Film "Die Farbe des Granatapfels", der in dem winterlichen Licht und an den nackten Wänden von wortwedding buchstäblich unheimlich gut zur Location passte. Dazu kam, dass die DVD keine Untertitel hatte und die Zuschauer den berauschenden Bildern ähnlich ausgesetzt waren wie die Wände. Extrem & schön.

28.11..10
Marie-pierre Ducoqu began work on her project je cherche by talking to people in Wedding. All her interview partners turned out to be female artists. In "looking for" these people she documented her paths in images and the words she collected in computer generated diagrammes, so that her process became visible.

30.10.10
Turning my gaze inward was a development from a performance I had done with these Kolmar poems previously. Together with the visual artist Joanna Kane we conceived the installation, Joanna focussing on the "gaze" space of the fourth poem "The Lonely One". I've kown Joanna for about ten years and we've done some performances together, so I was delighted to have this opportunity of working with her again. During Turning my gaze inward I gave a workshop where we took an image of ourselves, for example the witch, the mother, the artist... and painted it. We then collected words and associations to the image and made a poem from these.

26.09.10
Zeynep Arman‘s residency extended to an exhibition in September, offering a spatial experience of Ilhan Berk‘s poems - a disorientation and a deflection of meaning in words and in the composition of words.

As part of the exhibition I led a workshop „Building a poem or the poem as building“. We took words from Ilhan Berk‘s poem „The Room“ and free-associated to them. Then we had tasks for sound, rhythm and syntax. We partly painted and wrote and used materila such as playdough, straws, stickers etc. So the structures resulting from the tasks ,i.e. rhymes or repetitions became visible. I found that the outer physical building of the poem had a tendency to overshadow the inner process of writing, but it was a good experience to see the elements of composition so concretely.


25.08.10
In August Zeynep Arman had her residency in wortwedding. She explored the poems related to the theme of "house" in "The Book of Things". She made cardboard structures suggesting a house. the structures were open with cut outs for windows and doors. So there was a sense one didn't know where one room started and another one ended. She stamped words of the poems on the cardboard in Turkish and English. The "houses" were placed in the window front which made the effect of the dransience between the inside and outside of the fixed and recognisable stracture even stronger. In the exhibition space she put three poems in single lettering on the three walls which are written as equations. The poems are rather meditations referring to the room itself but at the same time go beyond the room.

In August there was also a workshop and performance from Ernesto Estrella Corzar from NY. In the workshops we read a poem by Cesar Vallejo and Paul Celan and responded to them vocally. We could respond to anything that caught our eye or ear, for example repeat a word, a vowel or consonant sound or make a commentary on what was being said, verbally or vocally. We did this individually and in groups. So the response was like an interaction with the poem which changed it but kept referring and returning to it at thte same time.

26.07.10.
Der Juli wurde unfreiwillig zur Sommerpause, da die Künstlerin Zeynep Arman aufgrund von Visa Problemen ihre Residenz nicht wahrnehmen konnte. Zum Glück erhielt sie Ende des Monats ihr Visa und kommt nun im August - juhu.

29.06.10.
This residency I did together with my friend Vanessa Mildenberg. Vanessa and I went to drama school together in London. We both more or less gave up acting afterwards and have since become pioneers: Vanessa developed her own voice and movement method for both actors and dancers whilst I've been doing my poetry in space thing. We called our residency "moving metre" because that's what we wanted to do - to find the interrelationship between them. We started off with with a book on metre called "Rules for the Dance" by the American poet Mary Oliver. We started moving and dancing but found quite quickly that the movement of metre happens internally, that metre guides the movement of breath. To assimilate our experiences and learning we drew and painted the effect of a dactyl amongst iambs for example, lines of poems, our questions and discoveries. We spent 10 days scanning different poems, sometimes struggling and thinking we were losing it but the poems kept us fascinated. The last two days we prepared for the presentation and it was great to revisit all our steps and give them a shape. I'm very grateful for Vanessa for coming all the way to Berlin to get down to the dactyl with me.

30.05.10
I'm writing this in English because all my exchange with Teatro sin Órganos, Chino and Ilaria, was in English. In their residency they tried out three formats that were inter-related. First they created a poetic object installation Objects of Desire, then developed a performance together with a group of performers to poems by Ernst Jandl and finally they presented the scenography that had evolved from the performance. It was a major, constantly evolving experiment which left them exhilerated and exhausted. wortwedding was transformed into a space of unpredictable rituals through the fantastical use of light, the cryptic and evocative objects and the improvised interaction of the performers, including Morgan the dog.
What remains with me of their residency is the memorable image of a typewriter with canulas instead of keys, an atmosphere reminiscent of an orthodox Russian church turned into a vodoo parlour and the intense talks with Chino and Ilaria about finding and losing oneself in artistic practice.

18.04.10
Bei Judiths Zeichenworkshop:
1. Zum Anfang haben wir gekritzelt bis das Blatt voll war, "um auf die andere Seite zu gelangen".
2. Judith gab mir verschiedene Materialien: Gouache, Acrylfarben, Filz-, Blei- und Kohlestifte zum erproben und erspüren.
3. Wieder kritzeln, aber diesmal mit den verschiedenen Materialien.
4. Angelehnt an Heines Ausdruck "Ich liebe das Meer wie meine Seele", fragte mich Judith nach meinem Äquivalent von Heines Meer. Das war für mich in jenem Moment ein Baum.
5. Nun sollte ich Zeichen für das innere Bild des Baumes finden, ähnlich Metaphern oder Umschreibungen in der Poesie.
Nach einigen Entwürfen fand ich das Zeichen für meinen Baum und malte es auf ein extra Blatt.
6. Ich schrieb zwei Zeilen zu dem Zeichen, das ich für das innere Bild des Baumes gefunden hatte - "groß, schlank und dunkel/vor den Augen des Himmels" - und malte dann wiederum das Bild zu den Zeilen.

28.3.10
Während Printemps des Poetes, Berlin10 fanden mehrere Veranstaltungen in wortwedding statt, z.B. Rainer Stolz las seine Vogelportraits mit Ratespiel, Sandrine zeigte ihren Film "Die neuen Erfahrungen" nach dem gleichnamigen Gedicht von Peter Handke und Juan Pablo Arce Cardozo präsentierte "Pata", eine kollektive Collage aus visueller und audio Poesie von Künstlern aus Lateinamerika. wortwedding verwandelte sich von Abend zu Abend und bewährte sich als Wohnzimmer des Festivals.

26.02.10
Agnes Guipont zeigte schauspielerisch ihre Interpretationen von einigen Gedichten von Elfriede Gerstl. Sie näherte sich der Dichterin erst über ihre Texte an, bevor sie begann die Person zu verkörpern.

29.1.10
Bei Makis Präsentation hatte Maki ihre mit Tusche gemalten Gedichte an die Wand gehängt und auf dem Boden verstreut. Es sah ein bisschen aus wie in dem Arbeitszimmer von Mituso Aido, ihrem Lieblingsdichter, an dem sie sich während der Residenz orientiert hatte. Das Bild kann man auf der Webseite des Museums für den Dichter www.mitsuoaida.com sehen.
Auch wenn Maki manchmal nur ein paar Worte malte, ergaben sie mit ihrer Handschrift ein vollständiges Gedicht. Eines meiner Lieblingsgedichte ist: "Spiegel spiegelt nur".

12.12.09
Beim Weihnachtsbasar brachte uns Cristina Sahuquillo bei ihrer Aktion "Sticken und Schreiben" bei, wie man mit Nadel und Faden schreibt. Bei Kaminfeuer, Tee und Spekulatius saßen wir in einer recht großen Runde und nähten mit Begeisterung. Catherine hatte ein T-Shirt für ihre Nichte mitgebracht, worauf sie eine Zeile aus einem Gedicht von Baudelaire stickte: "elle est belle pour lui qui le voit" - sie ist schön für denjenigen, der sie sieht. Ich hatte eine Sweatjacke mitgebracht, worauf ich die Worte "that nimble animal" aus einem Gedicht von Marianne Moore stickte.

28.11.09
Mit Cristina und Catherine habe ich gestern den Eros Schreibworkshop gemacht.
In Anne Carsons Buch "Eros the Bittersweet" beschreibt Anne Carson wie alles menschliche Verlangen auf der Achse des Paradox, den beiden Polen An- und Abwesenheit und den treibenden Kräften Liebe und Haß beruht. Die Griechen haben dafür den Begriff Eros erfunden. Eros heisst gleichzeitig Verlangen und Mangel. Der Begriff beschreibt Verlangen nach dem, was fehlt und damit auch das, was dazwischenkommt. Eros ist aktiv, dynamisch, "Eros is a verb".
Wir fingen mit Automatischem Schreiben an, 5 Minuten für jeweils Verlangen, Mangel und das was dazwischenkommt. Dann suchte jede die Wörter, Satzteile, Sätze heraus, die ihr am wichtigsten erschienen und verteilte sie auf drei Seiten.
Jede von uns bekam eine von den drei Seiten von jeweils einer Person, und wir führten ein Gespräch mit den ausgewählten Wörtern. So bekam jede ihre eigenen Worte in unterschiedlichen Kontexten zu hören.
Wir machten nochmal automatisches Schreiben (3 Minuten) über die Erfahrung des Gesprächs. Dann schrieben wir einen Text mit dem gesammelten Material (20 Minuten)

Jede las ihren Text vor und beschrieb in welche Richtung der Text ging, welche Themen herausstachen. Wir waren alle überrascht über das, was wir geschrieben hatten, über unsere Sichtweise von Eros und über Eros selbst. Catherine entdeckte zum Beispiel, dass sie Verlangen immer in einem positiven Licht gesehen hatte und Mangel in einem negativen Licht. Jetzt schien es ihr umgekehrt zu sein.
Für die Kernpunkte, die wir entdeckt hatten, sollten wir Metaphern finden und einen Text damit schreiben. Die letzte Übung verlief freestyle, da Cristina daraufhin Bilder malte und Catherine eine Zusammenfassung schrieb. Wir entdeckten, dass der Übergang vom freien, individuellen Ausdruck zu den Einschränkungen des poetischen Genres noch weiterer Schritte bedurfte. Wir sprachen über die Art des Übergangs und wie man ihn gestalten könnte. Ich hätte z.B. Beispiele oder konkrete Aufgaben in Bezug auf den Text der einzelnen Personen geben können. Am Ende waren wir uns einig, dass wir alle etwas gelernt hatten, über die Poesie, über unsere Begrenzungen und über Eros.


25.10.09
Zur Trauerfeier für Alfonsina Storni an ihrem Todestag errichteten wir einen Altar mit Blumen, Kerzen, einem Foto von Alfonsina und Süssigkeiten. Cristina erzählte uns ein bisschen was über Alfonsina und dann lasen wir ihre Gedichte vor. Die meisten im Original, was sehr schön war. Meine Freundin Jane war aus London gekommen und wir haben uns im Stil des mexikanischen "Day of the Dead" gekleidet. Während wir lasen tönten einzelne Wörter aus Alfonsinas Gedichten vom Interaktiven Klangtableau von Brigitte Krämer und Friedemann Schautz, ohne das wir die Objekte auf dem Tisch bewegten. Der Tisch schien also von sich aus zu tönen. Das gab der Feier den Touch einer Seance. Am Ende konnten wir Botschaften an Alfonsina schreiben, die Cristina sammelte und an die Alfonsina Storni NGO schicken wird. Dann gab es Musike und ich tanzte mit meinem Skelett - das war echt nett. Dankeschön an alle Teilnehmer und besonders an Jane für einen sehr schönen Abend.

25.09.09
Bei Jana's Aktion Figuren Gedichten II schrieben wir Texte zu Bildern von Texten.
Hierzu ein kurzer Rückblick auf Figuren Gedichten I: Hassan brachte ein Gedicht. Er hatte einmal einen iranischen Freund nach seinem Lieblingsgedicht gefragt. Sein Freund zitierte ein japanisches Gedicht in Farsi. Hassan hatte das Gedicht von Farsi auf Deutsch übersetzt.

"Keiner von denen hat gesprochen
nicht der Gastgeber
nicht der Gast
und nicht die Gänseblümchen"

Bei Figuren Gedichten I hatten Jana, Hassan und Lene Muster im Text in sprachliche Muster umgewandelt, z.B. jedes "nicht" war ein Dreieck, jede Zeile hatte die Farbe grün etc.
Nun hatten wir also diese Bilder vor uns (ohne die Gedichtvorlage zu kennen) und gingen auch wieder methodisch an die Bildumwandlung heran.
Meine Bildvorlage sah so aus:

und meine Methodik so:

Farbe: weiß = Wort = Reh
grau= Abstand von Linien auf Papier, naturgetreu

Form der Linie: Dick = reimender Zweizeiler, Jambus
Dünn = Trochäus

Länge der Linie: naturgetreu

Und dieses Gedicht kam dabei raus:

Im Wald da stand ein junges Reh
der Jäger sahs wie eh und je


Wald im Reh, Vogelmiere, Lindenbaum
Eberesche hier im See mit Reh-





kopf hoch, rehwärts



Jana's Bildvorlage sah so aus:

Ihre Methodik war :
x=lehnt nicht, Dreieck rechts=geht, Kreis=und, Pfeil=kommt, Tropfen=denkt es, Schrägstrich=ruht, Dreieck hoch=aber, Halbmond nach oben=nimmt zu, Halbmond nach unten=nimmt ab, + = und (wichtig), Dreieck nach unten=schon immer. Die letzten beiden Zeichen ergeben den Titel:

zunehmende Ruhe
lehnt nicht, geht. und. kommt. denkt es.
ruht aber nimmt ab
ruht mehr aber nimmt zu
und(wichtig): ruhte schon immer.

22.08.09
Heute war als Aktion zu Installation für 26 Buchstaben eine Buchstabenerforschung angesagt. Judith und Till kamen und wir tönten jeder einen Buchstaben und schrieben Assoziationen, die uns in den Kopf kamen, dazu auf. Dann beschrieben wir die einzelnen Begriffe, die wir gefunden hatten - ohne sie zu wieder zu verwenden - und lasen die Beschreibungen einander vor. Aus einer Beschreibung wählte jeder einen Begriff von einer anderen Person. Für diesen Begriff wiederum fanden wir einen körperlichen Ausdruck, den wir dann den anderen zeigten. Durch diesen Recycling Prozess bekam jeder seinen Buchstaben wieder zurückgespiegelt.

Die Worte konnten den Buchstaben, den man erforschte, enthalten, mussten aber nicht. Wichtig war das Bild, das einem beim Tönen in den Sinn kam.

Für "M" fand Till die Worte: Mond, Magen, Milch und Mund.
"Nachts und es ist doch hell und ich habe ein Gefühl der Leere in meinem Bauch mich durstet nach der weissen Flüssigkeit die dem Licht am (Nacht-) Himmel gleicht."

oder für "S" fand ich die Worte: Gas, Wasserkocher, pressen, Luft.
"Ich atme. Der Himmel ist riesig zwischen mir und ihm. Die Leere darin. Anders als zu Hause, wenn ich mir Tee koche und die Flamme auf dem Herd ihre Grenze hat. So uncharakteristisch für das Feuer."

Ich habe diese Übung auch mit experimentierfreudigen Besuchern von wortwedding gemacht.

Für "T" z.B. fand Jana die Worte: Welle, spucken, Rücken.

"Wasser sprudelt in regelmäßigen Richtungen gegen etwas,
es zielt gewaltig nass,
wodurch gerade gehalten jeder Körper stabil wird."

10.07.09
Erste Aktion zu Das Geschenk der zehn Worte
Das Labyrinth & die Identität

Anna und Jeanette hatten 5 Lebensphasen benannt: Anfang (1), Kindheit (2), Jugend (3), Mittsommer (4), Alter (5). Von der Decke hingen jeweils 5 Fäden in alle 4 Himmelsrichtungen mit den Nummern 1-5. Ein Faden für jede Lebensphase.
Die Bewegungsrichtung war, nicht wie man es in einem Labyrinth erlebt, von aussen nach innen, sondern von innen nach aussen. Der Anfang war im Zentrum.
Wir schrieben einzelne Worte auf Zettel, die uns spontan zu diesen Lebensphasen einfielen und befestigten sie an dem passenden Faden. An einer Nr 2 z.B. hingen: Götterhund, Lichtfluss, Pflaumenbaum, Störtebeker, Graubirne, Stoppeldockbett, Bratkartoffeln, Wind.
Als alle fertig waren, fragten manche nach einzelnen Wörtern und es gab natürlich zu jedem Wort eine Geschichte. Hassan hatte als Kind einen Diamanten verschluckt. Annas Vater genoß als Student Schmalzstulle mit kaltem Tee während er seine geliebten Bücher las. Da jeder Experte seines Lebens ist, gab es auch zu jedem Wort eine anschauliche Geschichte.Ich habe viel über die anderen Besucher erfahren und auch über mich selbst.
Noch ein schöner Aspekt der Aktion ist, dass die Erinnerungen und Assoziationen als Wortgeschenke in der Ausstellung sichtbar bleiben und andere Besucher dazu beitragen können.

20.06.09
Heute war ich bei wOrt + tAt und schaute Phillip Bollinger, Javier Garcia Clavel und Adrian Giacomelli dabei zu, wie sie Wörter auf Papierkreisen im Raum aufhängten. Ich habe die Wörter mitgeschrieben, die mir auffielen, in chronologischer Reihenfolge und habe dann manche zusammengesetzt und so hat sich dieser Text ergeben:

Scham und Ökonomie
Venenressourcen
heilige Pronomen -
einfach Augen
mehr
Antwort
nein dumm
Profit
am Anfang -
die Sakramente
helle Güter
vermessen wäre
Präposition ohne Effekt -
einfach Ewigkeit
Lust Lichter
ohne Stimme
ohne Volk -
andere betreten
im Schritt des Todes
wir
Schwächen
Menschen
Nationen
Geburt
Etymologie
von bis
zum Fortschritt
immer
andere betreten
die Existenz
der Sprache
wilde Stimme
verurteilte Herzen
gebrochen
siehe Persönlichkeit
unfehlbar
Grammatik
des Erfolgs
auf diesem Grund
siehe Verurteilte
Einverständnis
nur im Wörterbuch
ohne die anderen
Wörter
Orte
ohne Anfang
widersprüchlich
geschlossen
blinde Regimente
Sitte
Druck
Erde: Ware
Maschine
kalte Hochzeit

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